Wu wei – Aus dem inneren Zentrum handeln

Das Wu wei ist ein taoistisches Prinzip und bedeutet übersetzt so viel wie Handeln durch Nichthandeln. In Einklang mit dem Fluss des Lebens zu kommen und zu bleiben, im Hier und Jetzt leben. Einssein mit dem, was ist.



 

Zum ersten Mal fand es Erwähnung im inzwischen 3000 Jahre alten Buch der Wandlungen, der Schatztruhe ewiger Weisheit, dem I Ging. Und so lesen wir dort: „Wer sich selbst in Zeiten der Ruhe meistert, verfügt über Entschiedenheit, wenn es ums Handeln geht. Wer innerlich über Stabilität verfügt, dessen Handlungen führen nicht zu Misserfolg. Ruhe ist die Grundlage der Bewegung. Bewegung erschafft das Potential der Ruhe. Ruhe wird erreicht, indem man den Kopf leert.“

 

Die zeitlose Dimension des Tao in uns existiert ausschließlich in der Gegenwart, auf dem schmalen Grat zwischen Vergangenheit und Zukunft.
Für uns bedeutet es, dem gegebenen Lauf der Dinge zu folgen und dabei eine Haltung von Natürlichkeit, Spontaneität und Mühelosigkeit anzunehmen, denn die wesentlichen Dinge geschehen im natürlichen Fluss und wir tun gut daran, ihnen nicht im Wege zu stehen.

Wir alle kennen Phasen von zu viel Anstrengung, Übereifer und unnötigem Aktionismus, die zu einem Verlust von Kraft führen und in der Erschöpfung enden. Haben da unsere Energie in unfruchtbare Handlungen der Handlung willen gesteckt. 
Die Taoisten dagegen empfehlen uns, die innere Stille zu kultivieren, Polaritäten aufzugeben und ein Gefühl der Einheit wirken zu lassen.

Die Shaolin Tradition, Ursprung des Chan Buddhismus, hat dieses zu ihrer Hauptpraxis gemacht: Sitzen in Versunkenheit.
Uns unterstützt auch die Tantramassage dabei, den Geist zur Ruhe kommen zu lassen und wahrzunehmen, was ist.

 

Praktizieren wir Wu Wei, spüren wir eine Wirkung sofort. Wir hören auf zu grübeln, vordergründige Probleme zu wälzen und nach schnellen Lösungen zu suchen.
 Dieser Zustand ist eine Haltung des Geschehen- Lassens und lässt die richtige Handlung zur richtigen Zeit und ohne Anstrengung des Willens hervortreten. Quasi naturwüchsig.
Wie Gärtner durch Gießen und Jäten ihre Gewächse im Gedeihen unterstützen. Behutsam und wohlwissend, dass es nicht besser oder schneller geht, wenn man an ihnen zieht.

 

Wu wei meint nicht, dass wir passiv und träge sein sollen. Sondern es geht darum, spontan und ohne ein Eingreifen unserer dualistischen Rationalität zu agieren. Unsere Situation zu vergegenwärtigen und uns auf die konkreten Umstände, die gegebenen Mittel beschränken. Den natürlichen Fluss der Dinge ermöglichen.

 

Diese Fähigkeit zu solcher Mühelosigkeit tragen wir bereits in uns, haben aber verlernt, sie zuzulassen. Es passiert uns häufig, dass wir den Augenblick gar nicht wahrnehmen, weil wir unentwegt in Vergangenheit und Zukunft verharren. Vorfreude, Ärger, Hoffnung oder Furcht unsere Gedanken schweifen lassen.

 

Grundsätzlich entstehen Gedanken immer in Bezug zu schon Bekanntem und Erinnertem. Gehören also folglich der Zeitform der Vergangenheit an, gleich, womit sie sich befassen mögen. Auch Ideen für Ausblicke auf die Zukunft und Informationen, die wir akzeptiert haben, wurzeln in Erfahrungen, die wir in der Vergangenheit gemacht haben.
Entsprechend führt uns das Denken immer von der Gegenwart weg in die Vergangenheit, wenn wir ein unmittelbares Erlebnis interpretieren, statt es direkt zu erfahren.

Deshalb soll die strikte Ratio nicht grundsätzlich abgelehnt werden; sie gehört zu uns, ist wichtig, wo sie gebraucht wird. Aber das unentwegte Plappern unseres Geistes schottet uns ab von der erlebten Gegenwart.

 

Dabei wäre es völlig sinnlos zu versuchen, generell das Denken auszuschalten. Was ja auch wieder eine bestimmte Rationalität erfordert.
Wer es auf diese Weise versucht, täuscht sich selbst und vergeudet unnötig Energie.

 

Wirklich und wirksam im Geiste in der Gegenwart verweilen, bedeutet, ihr gegenüber offen und aufmerksam zu sein.
Doch ohne zu analysieren, ohne die Beobachtungen und Empfindungen einzuordnen und anzupassen entsprechend vergangener Erfahrungen und zukünftiger Erwartungen.
So den Geschehnissen ihren Lauf lassen, ohne Widerstand zu leisten, sie nur betrachten, sein lassen – das ist Handeln im Nichthandeln, das ist Wu wei.